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Datum: 06.03.2025

500 Jahre Täufertum: Von der ersten Erwachsenentaufe 1525 ins Heute

Im letzten Allianzspiegel lasen wir von der ersten Erwachsenentaufe in Kanton Zürich (Schweiz) und der folglich erwachsenden dritten reformatorischen Bewegung. Die Mennoniten (und später andere freie Gemeinden, seit 2013 als „Freikirche Österreich“, kurz FKÖ, legalisiert) gehen im Kern darauf zurück.  

Im Laufe des Jahres 2025 wollen wir in dieser Kolumne vier sozio-politische (anstatt die eher bekannten theologischen) Themenkränze der Täuferbewegung aufgreifen, die bis ins Heute hineinwirken, sowie Einzelschicksale als mutiges Zeugnis beleuchten.

Einleitung

Das 16. Jahrhundert war geprägt vom Analphabetismus der großen Masse und Angst durch die herannahende Gefahr der Land- und Herrschaftseroberung durch die Türken (Stichwort „Türkensteuer“ als hohe finanzielle Pflicht und Belastung), die die innere Sicherheit erschütterten. Kirchliche Ämter wurden teilweise politisch vergeben oder zumindest gelenkt, der Klerus war teilweise nicht einmal geweiht (Beispiel: Matthäus Lang von Wellenburg wirkte von 1500 bis 1513 u.a. als Pfarrherr der niederösterreichischen Doppelpfarre Gars-Eggenburg, empfing aber erst anlässlich seines Amtsantritts als Erzbischof von Salzburg am 24. September 1519 die Priesterweihe und am Tag darauf die Bischofsweihe.)

Die Zeit war außerdem gekennzeichnet „vom Wunsch nach religiös-konfessioneller Erneuerung und von Forderungen nach einem gerechten Ausgleich zwischen Adel, Kirche und Untertanen.“ (Von Schlachta, Täufer, S. 22.)

#1 Gebildet im Bilde sein

Zu Beginn der Neuzeit waren nur sehr wenige Menschen des Lesens und Schreibens mächtig, die mündliche und visuelle Vermittlung oblag hauptsächlich den Kloster- und Volksschulen. In den (röm.-kath.) Gottesdiensten als Orte der Glaubensvermittlung wurde das vorherrschende Latein buchstäblich nicht verstanden. Bereits im 15. Jahrhundert gab es jedoch einige Priester, die in ihrer Muttersprache predigten, wie der Brixener Bischof Nikolaus von Kues (auf Deutsch, in Tirol) oder Jan Hus (auf Tschechisch, in Prag). Druckschriften mit Bildern– durch die Druckerpresse im wahrsten Sinne begünstigt – vereinfachten zunehmend die Verbreitung protestantischer und täuferischer Lehren. Diskussionen und Disputationen prägten die Stuben der Gelehrten, aber auch das Straßenbild.

Eine Änderung der Denk-, Sicht- und Glaubensweise kommt allerdings nicht von heute auf morgen, aber die Bereitschaft bzw. Sehnsucht nach einer besseren Welt motivierte viele.

Die Reformationszeit befeuerte einen Umbruch im Bereich des Bildungswesens zunehmend: „von den Grundschulen bis zu den Universitäten kam es zu einer Blüte der Geistes- und Naturwissenschaften, insbesondere der technischen Entwicklungen.“ Modernisierte „Navigationsgeräte für die Seefahrt sowie die um 1500 erfolgte Erfindung der Taschenuhr (Nürnberger El") durch Peter Henlein fallen allerdings noch in die Zeit vor der Glaubensspaltung“ (R. R. Heinisch, S. 20). Das astronomische Weltbild selbst erlebte einen massiven Wandel:  vom geozentrischen zum heliozentrischen (Nikolaus Kopernikus, 1507).

Um die Bibel selbst lesen und verstehen zu können, lagen gute Bildung und Austausch nahe. Bereits in den 1520er Jahren hat es in Zürich und St. Gallen nachweislich „Lesekreise“ gegeben, „in denen Laien theologische Themen diskutierten, gemeinsam in der Bibel lasen und im christlichen Glaubenunterrichtet wurden.“ (Von Schlachta, Täufer, S. 32). Derlei „Sodalitäten“ (wo ein Gelehrter seine Schüler um sich versammelte) gab es auch an der Universität Wien, wo etwa Ulrich Zwingli und Konrad Grebel studiert hatten. Diesen beiden schloss sich beispielsweise Felix Mantz (einem der ersten Täufermärtyrer, +1527) zu einer ebensolchen Gruppe an. Sie trafen sich im Haus von dessen Mutter in Zürich.

Den Täufern wurde rasch klar: bereits die Kleinsten sollten gefördert werden: Peter Walpot (1521-1578, aus Klausen in Südtirol), richtete als begnadeter Bischof der Hutterischen Brüder in Mähren, u.a. seine Schulordnung (von 1568) auf eine kindgerechte Pädagogik aus. Das Novum: das Kind wird nicht als teurer Mitesser oder schiere Arbeitskraft (wie ein Erwachsener) gesehen, sondern dessen Kindheit als kostbares Gut (erstmals) wertgeschätzt, in das es zu investieren gilt.

Die Schule wurde als Einheit gesehen und als Vorbereitung für das Leben in der Gemeinschaft betrachtet: Sobald das Kind abgestillt war, wurde es in den Kreis der „kleinen Schule“ unter der Obhut einer Gemeindeschwester aufgenommen, die auch die Erziehung übernahm. Die Sechsjährigen kamen in die „große Schule“, zum Schulmeister. Die Morgenroutine sah folgendes vor: aufstehen, waschen, ankleiden, Haare kämmen, Gebet, eine kleine Übung und dann Frühstück. Sonntagsschulen gab es wohl erst später, z.B. bei den Mennoniten im 19. Jahrhundert.

Gehorsam (gegenüber Gott und Mitmenschen) und Disziplin (in allen Lebensbereichen) galten als oberste Ziele: die Schulmeister wurden angehalten die Rute achtsamer einzusetzen und keine unnötigen Schmerzen damit hervorzurufen oder gar Wut an den Kindern auszulassen. So sollten selbst der Lehrer und die unterstützenden Schwestern von der „Furcht vor dem Herrn“ geprägt sein und Kinder, sobald sie zu sprechen begännen, auch im Gebet unterweisen. Der Lehrer agierte ergo als Hüter, Bewahrer, Förderer und Trainer und nicht als strenger Instruktor wie in den weltlichen Volksschulen üblich. Er ist ihnen Vorbild in Hygiene, im Ruhen, Essen, Umgang mit Materialien und der Umwelt, sowie auch Charakterbildend durch seine ruhige Art.

Wir schließen mit dem Gedanken, dass die Täufer ihrer Zeit um mehr als 250 Jahre voraus waren. Denn wie jedes Schulkind in Österreich weiß, wurde die „allgemeine Unterrichtspflicht“ erst unter Maria Theresia, also 1774, eingeführt.

Die nächste Kolumne wird sich mit „Hierarchien“ beschäftigen.

Autor: Verena Schnitzhofer

Buchempfehlung:
Astrid von Schlachta, Täufer. Von der Reformation ins 21. Jahrhundert, Tübingen 2020.