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Datum: 03.01.2022

Gedanken zur Überwindung der Polarisierung, Angst und Ausgrenzung in den aktuellen Krisenzeiten in christlichen Kreisen und in der Gesellschaft - eine Stellungnahme vom Vorstand der Österreichischen Evangelischen Allianz

Das COVID-19 Virus hat schmerzhaft sichtbar gemacht, dass Angst und Hetze oft schneller um sich greifen als Dialog, Miteinander und christliche Nächstenliebe. Mit den folgenden Zeilen wollen wir einen Beitrag zu einem wiedererstarkenden Miteinander ohne Ausgrenzung und Zwang leisten:

Gemeinsam und füreinander
Einheit gehört seit der Gründung der weltweiten Evangelischen Allianz im Jahr 1846 zu ihren Kernwerten. Deshalb findet sich im Leitbild der Österreichischen Evangelischen Allianz auch die Aussage: „Wir lieben und fördern Einheit“. Aus diesem Grund erfüllt uns der sich ausbreitende Riss durch unsere Gesellschaft, der auch vor uns Christen keinen Halt macht, mit großem Schmerz und Sorge. Es lohnt sich, die eigene Wortwahl und den gewählten Tonfall näher zu betrachten, um die treibende Motivation und Zielsetzung zu erkennen. Unbedachte Unterstellungen, Beschimpfungen und eine gewalttätige Sprache treiben nicht nur einen Keil in die Gemeinschaft, sondern gewähren auch einen Blick in das Herz der Person, die spricht bzw. handelt.

Die Freiheit des einzelnen Menschen ist zu Recht ein hohes und schützenswertes Gut, und der Wunsch nach persönlichem Wohlergehen mehr als verständlich. Zugleich ist jede Person Teil verschiedener Gemeinschaften (Familie, Arbeitskollegen, Nachbarschaft, Kirche...), was der persönlichen Freiheit die Verantwortung für die Mitmenschen und ihr Wohlergehen gegenüberstellt. Daraus ergeben sich Rücksichtnahme und aktive Fürsorge als angemessene Einstellung und dem Allgemeinwohl dienendes Verhalten.

Ängste schüren sowie Druck und Zwang ausüben beinhalten ein hohes Potenzial auseinander zu treiben und bewirken in der Regel statt eines Miteinanders ein Gegeneinander. Das betrifft die Beziehungen einzelner Menschen genauso wie die unterschiedlicher Gruppen in der Gesellschaft.

mit Liebe
Christen leben in einer Glaubensbeziehung mit Jesus Christus, der Liebe und Wahrheit ist sowie Gottes Gnade und Wahrheit auf die Erde brachte (Joh 1,17). Wer Gottes Liebe in seinem Alltag erlebt, hat eine gute Grundlage, um seine Mitmenschen zu lieben und ihnen mit Respekt zu begegnen. Dann ist die andere Meinung nicht mehr die alles bestimmende Perspektive, mit der wir unser Gegenüber wahrnehmen. Vielmehr begegnen wir einem wertvollen Mitmenschen, dem wir aktiv zuhören und in seinen Freuden und Befürchtungen ernst nehmen wollen. Und auch wenn wir uns seiner Meinung nicht anschließen, bietet das Gespräch die Chance zu einem tieferen Verstehen.

Dabei lässt sich entdecken, dass wir beide uns nach einem Leben sehnen, das nicht mehr von COVID- 19 bestimmt wird. Deshalb ermutigen wir den Schritt über den Graben zu wagen, einander mit Respekt zu begegnen und zu zuhören.

Pauschale Verunglimpfungen bestimmter Gruppen, wie z.B. Menschen, mit dem jeweils anderen Impfstatus, lehnen wir ab. Wir können es nicht fassen, wenn Menschen beleidigt und schikaniert werden, wie Mitarbeiter in der medizinischen Versorgung und Pflege, die um das Leben Erkrankter ringen, oder Wissenschaftler, die sich kritisch äußern.

Vielmehr sagen wir ausdrücklich allen ein von Herzen kommendes „Danke!“, die mit Blick auf das Wohlergehen anderer Verzicht üben oder sich aktiv dafür einsetzen, manchmal sogar mit dem Wissen um eine höhere Ansteckungsgefahr. Mit Wort und Tat ausgedrückte Dankbarkeit ist Nächstenliebe in Aktion genauso wie konkrete Hilfe und Beistand in der Not. Christen können auch aus Liebe für Kranke und Leidende, für Einsame und Verzweifelte genauso wie für alle, die nach Lösungen suchen oder Entscheidungen fällen müssen, beten.

und mit Wahrheit
Die nun seit 2 Jahren andauernde und durch die Pandemie verursachte Situation führt uns eindrücklich die Verletzlichkeit des menschlichen Lebens und unseres als selbstverständlich empfundenen Wohlstandes vor Augen. Es bietet sich an, über das Eigentliche unseres Lebens, das Woher, Wohin und Wozu nachzudenken. Jesus, der sich selbst als die Wahrheit bezeichnet, lädt ein, Gott ins Zentrum unseres Denkens und Handelns zu stellen, ohne dabei Freiheit und Verantwortung des Menschen zu vernachlässigen.

Alle Bemühungen zur Überwindung der Pandemie belegen sowohl mit ihren Erfolgen wie auch ihren begrenzten Wirkungen eindrücklich, wie vielschichtig die Aufgabe ist.

Wenn die Komplexität des Themas viele Fachleute dazu führt, ihre Ergebnisse als derzeitigen vorläufigen Wissensstand zu präsentieren und Wirksamkeit in Prozentzahlen anzugeben, steht es uns Laien im Gespräch gut an, mit einer gewissen Zurückhaltung zu argumentieren. Einfache und das Problem für alle behebende Lösungsvorschläge wie auch die Verleugnung von schweren und tödlichen Krankheitsverläufen oder von Impfnebenwirkungen disqualifizieren sich angesichts der Realität selbst.

Wenn wir uns selbst ein Bild von den Gegebenheiten verschaffen wollen oder mit Aussagen argumentieren, ist es unerlässlich, die Vertrauenswürdigkeit der Quellen zu prüfen und Aussagen, ebenso wie bei der Bibel, im Zusammenhang zu betrachten und zu zitieren.

Hoffnung hat für Christen einen Namen, Jesus Christus. Der Glaube an ihn hilft den Herausforderungen ins Auge zu sehen und sich zum Wohl der Mitmenschen einzusetzen. Treten wir heraus aus der Spirale der Angst und verbalen Gewalt und begegnen wir uns mit Liebe und Respekt.

Gemeinsam und füreinander – mit Liebe und Wahrheit.
03.01.2022 Der Vorstand der Österreichischen Evangelischen Allianz

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