Datum: 27.06.2024
Ist dir das schonmal passiert? Du lernst jemanden kennen und du merkst gleich: Ihr seid euch so ähnlich! Vom ersten Moment an hat es geklickt und ihr seid seitdem in engem, überschwänglichem Kontakt. Doch irgendwann gerät die Freundschaft ins Stocken. Ihr erkennt, dass ihr euch doch nicht so ähnlich seid und viele Meinungen auseinander gehen. Wie gehst du dann damit um?
Wir suchen gerne Gleichgesinnte, doch wenn wir jemanden wirklich kennenlernen, stellen wir fest, dass es auch Ansichten gibt, die unseren eigenen widersprechen. Und darüber hinaus können wir Andersdenkenden nie vollständig aus dem Weg gehen. Wie können wir also inneren Frieden bewahren, obwohl unsere Überzeugungen nicht erwidert, vielleicht sogar angegriffen oder herausgefordert werden? Wie gehen wir gesund mit dieser Ambiguität um?
Der Begriff „Ambiguität“ stammt ursprünglich aus dem Lateinischen (lat. ambiguitas = Doppelsinn) und bezeichnet Mehrdeutigkeit. Ambiguitätstoleranz ist dementsprechend die Fähigkeit, mehrdeutige Verhaltensweisen und Situationen zur Kenntnis zu nehmen und sie zu ertragen.
Es geht darum, es nicht persönlich zu nehmen, es stehen zu lassen und das Verbindende, anstatt der Unterschiede zu suchen. Andere Meinungen sind kein persönlicher Angriff. Es ist wichtig zu überlegen: Warum haben wir bestimmte Überzeugungen? Diese basieren oft auf persönlichen Erfahrungen. Wäre es nicht spannend, die Erfahrungen anderer zu erfahren? Begegnen wir Andersgesinnten mit Interesse und Offenheit, nicht mit Vorbehalten und Ignoranz. Es hilft sogar, bewusst den Umgang mit Andersdenkenden zu pflegen und uns den Reaktionen wie Angst, Aggression oder Ohnmacht zu stellen, die die Konfrontation mit anderen Überzeugungen hervorrufen kann. Und nein, indem wir uns auf andere einlassen, verlieren wir nicht unseren eigenen Standpunkt. Vielmehr gewinnen wir Einblicke und vielleicht sogar Verständnis. Wie es in 1. Thessalonicher 5,21 heißt: „Prüft jedoch alles und behaltet das Gute.“
Was das von uns verlangt? Demut. In Matthäus 7:1-5 ermahnt uns Jesus, nicht vorschnell zu urteilen, sondern uns selbst zuerst zu prüfen. Wenn wir anderen aufgrund von Meinungsverschiedenheiten oder gegensätzlichen Überzeugungen nicht begegnen können, heben wir uns über sie, anstatt auf sie einzugehen. Vielleicht ist die Spaltung in unserer Gesellschaft so stark, weil wir stolz geworden sind. Hochmut bedeutet zu glauben, dass „ich es besser weiß“ und sich nichts sagen lassen zu wollen. Hochmut pocht auf sein Recht.
Ich glaube, wir müssen lernen, uns selbstkritisch zu reflektieren. In der Bibel lesen wir nicht ohne Grund, wie schädlich Hochmut ist. Stolz hindert uns daran, anderen auf Augenhöhe zu begegnen. In Sprüche 16,18 steht das berühmte Sprichwort: „Stolz führt zum Sturz, und Hochmut kommt vor dem Fall!“ Das mag zunächst hart klingen, aber ist es das wirklich? Ich glaube, es ist weniger eine Bestrafung als vielmehr ein Schutz. Jesus weiß, was Hochmut mit uns anrichtet, wie zerstörerisch Stolz ist. Er sorgt dafür, dass wir am Boden bleiben, um seine Liebe empfangen zu können. Denn Stolz verweigert Liebe und verhärtet das Herz. Sprüche 11,2 besagt: „Wo Hochmut ist, da ist auch Schande; aber Weisheit ist bei den Demütigen.“ Hochmut ist ein ständiger Kampf gegen den anderen. Um endlich Frieden zu haben, braucht es Demut. Nimm alles aus Gottes Hand, auch die Demütigung. Denn sie dient zu unserem Besten.
Wofür das alles? Um Jesus in der Welt bekannt zu machen. Er ist die Rettung der Welt. Warum sollten wir sie ihr vorenthalten, nur weil wir andere Meinungen nicht akzeptieren? Jesus hat inmitten gesellschaftlicher Diskrepanzen gelebt, aber er hat geliebt und gedient. Lasst uns in Demut Andersdenkenden begegnen.
Ganz praktisch: Triggert dich etwas im Gespräch mit deinem Gegenüber? Versuche nicht gleich dagegenzuhalten, aufzubrausen oder dich innerlich zu distanzieren. Frage dich stattdessen: Ist das Hochmut, der aufschreit? Halte die Spannung aus. Und dann knie hin und wasche Füße. Bildlich gesprochen.
Text: Helena Berger