Datum: 09.01.2025
Warum ist das Bild des Mannes gegenwärtig so krisenbehaftet? Ist Männlichkeit an sich „toxisch“? Dem geht Nancy Pearcey in ihrem neuesten Buch auf den Grund und zeigt klar und tiefgründig, dass toxische Verhaltensweisen nicht einem unveränderlichen Wesen der Männer entspringen, sondern vielmehr aus bestimmten historischen und kulturellen Entwicklungen. Diese hat Pearcey aus einer christlichen Perspektive heraus analysiert, um Lösungen zu finden, die zu innerer Heilung und Versöhnung zwischen den Geschlechtern beitragen könnten.
Pearcey beschreibt, wie sich das Ideal des Mannes von einem verantwortungsvollen „guten Mann“ zu einem harten „echten Mann“ gewandelt hat – maßgeblich durch Einflüsse wie Industrialisierung, Darwinismus und Feminismus. Vor allem die Industrialisierung, die Männer zur Arbeit von Hof und Familie weg in die Städte trieb, entfremdete sie von der Rolle als Familienoberhaupt und brachte sie dazu, ihre Männlichkeit eher in Konkurrenz und Abenteuer zu suchen statt in verantwortungsvoller Fürsorge für Familie und Gesellschaft.
Weiter beschreibt Pearcey, wie ein biblisches Ideal Männlichkeit neu definieren könnte, das Mut und Kraft mit Selbstlosigkeit, Liebe und Verantwortung vereint. Statt zu fliehen, finde ein Mann seine Identität in Beziehungen zu Gott, zu seiner Familie und seiner Gemeinschaft. Studien zeigen, dass gläubige Männer, die ihre Ehe und Familie in den Mittelpunkt stellen, signifikant glücklichere und stabilere Partnerschaften führen als säkulare Männer. Dabei unterscheidet die Autorin zwischen nominellen Christen, die sich als solche bezeichnen, ohne ein aktives Glaubensleben zu führen, und gläubigen Männern, die ihren Glauben im Alltag ernst nehmen. Sie betont, dass gläubige Männer ihre von Gott gegebene Verantwortung wahrnehmen, während nominelle Christen eher nach Kontrolle und Dominanz streben, da sie biblische Begriffe wie „der Mann ist das Haupt“ durch eine säkulare Brille interpretieren und missverstehen. Für Pearcey liegt die Lösung toxischer Männlichkeit darin, Männern wieder eine gottzentrierte Identität zu geben, die sie von destruktiven Verhaltensmustern befreit und ihnen eine heilsame Perspektive gibt.
Die Gemeinde spielt dabei eine wichtige Rolle: Sie sollte Männer darin unterstützen, als Väter und Ehemänner ein positives Vorbild für junge Männer zu sein, und Vaterlosigkeit sowie mangelnde männliche Vorbilder als seelsorgerlichen Auftrag sehen.
Die Studien und Beispiele sind vornehmlich amerikanisch, wodurch nicht alles eins zu eins auf Europa übertragbar ist. Dennoch lassen sich viele der beschriebenen Muster und Probleme auf die europäische Gesellschaft anwenden, da westliche Länder ähnlich kulturell geprägt sind. Jedenfalls hilft das Buch, Männlichkeit differenziert, aber positiv aus einer biblisch-christlichen Perspektive zu beleuchten. Die starke Argumentation, die historischen und wissenschaftlichen Bezüge sowie der seelsorgerlich-praktische Ansatz machen das Werk zu einer empfehlenswerten Lektüre.
Helena Berger