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Datum: 17.12.2019

Usbekistan: Registrierung für viele Religionsgemeinschaften unerreichbar

Mitglieder verschiedener Religionsgemeinschaften, die aus Furcht vor staatlichen Repressalien nicht namentlich genannt werden wollen, haben gegenüber Forum 18 berichtet, dass viele Gemeinschaften die staatliche Registrierung anstreben, jedoch unter verschiedenen Vorwänden daran gehindert werden, diese auch zu erlangen. Ein Protestant erklärte: „Ich weiß von mehreren Kirchen in ganz Usbekistan, denen die Behörden 2019 die Registrierung verweigert haben. Usbekistan hat schon in der Vergangenheit die Bemühungen vieler Gemeinschaften, um die staatliche Registrierung und damit Rechtspersönlichkeit zu erlangen, systematisch behindert und erst im Mai 2018 neue Hindernisse eingeführt. Alle muslimischen Gemeinschaften müssen Mitglieder des staatlich kontrollierten Muslimrats sein, um legal existieren zu dürfen. Dieser ist sunnitisch geprägt. Viele schiitische Moscheen wurden geschlossen, allein in Buchara 15. Eine Petition, wenigstens eine von diesen wieder öffnen zu dürfen, musste aufgrund des staatlichen Drucks abgebrochen werden.  

2019 haben die Behörden zwar einige nicht muslimische Gemeinschaften registriert, doch haben Quellen gegenüber Forum 18 berichtet, dass dafür Bestechungsgelder erforderlich waren. Die Quellen weigerten sich aus verständlichen Gründen, Namen von Gemeinschaften zu nennen, die für die Registrierung Bestechungsgeld bezahlt hatten.

Einer protestantischen Gemeinde in der Hauptstadt Taschkent wird die Registrierung verweigert, weil sie keine offizielle Adresse hat. Dies wäre nur mit einem eigenen Gebäude möglich, das sich die kleine Gemeinschaft nicht leisten kann. Auch einer Baptistengemeinde in Gulistan wurde die Registrierung verweigert, da das Grundbuchamt sich geweigert hatte, die Bestätigung über den Ort der Versammlungen auszustellen. Überdies wurden die persönlichen Daten und Passkopien aller Gründungsmitglieder gefordert. Dennoch wurde die Registrierung verweigert. 

Katholiken haben eine Petition gestartet, um ihre Pfarre in Angren registrieren zu lassen. Bisher fahren Katholiken in die 105 km entfernte Hauptstadt Taschkent, um die Sonntagsmesse zu feiern. Bisher konnten nur 5 katholische Pfarren im ganzen Land die Registrierung erwirken. 

Die Anträge von mehreren lokalen Gemeinschaften der Zeugen Jehovas in verschiedenen Landesteilen wurden in diesem Jahr abgelehnt. 

Der Staatssicherheitsdienst, die Geheimpolizei, das Komitee für religiöse Angelegenheiten und andere Behörden haben in der zweiten Jahreshälfte bei mindestens zwei von den Behörden arrangierten Versammlungen in Samarkand und in Chirchik  in der Region Taschkent Vertreter registrierter Gemeinschaften aufgefordert, den Behörden Informationen über ihre eigenen Gemeinschaften und auch über die Zeugen Jehovas und andere Religionsgemeinschaften zu liefern, die sie bei diesen Versammlungen als gefährliche Sekten bezeichneten. Dies berichten Teilnehmer an diesen Versammlungen, die aus Furcht vor staatlichen Repressalien anonym bleiben wollen. Auf beharrliche Aufforderung durch die Behörden unterschrieben Vertreter der teilnehmenden Religionsgemeinschaften eine Petition an Präsident Mirziyoyev, in der sie die Behörden ersuchten, nicht näher namentlich genannte „religiöse Sekten“ zu bekämpfen und ihnen keine offizielle Registrierung zu gewähren. Ein von den Behördenvertretern zum Sprechen aufgeforderter Vertreter einer registrierten Gemeinschaft erklärte, dass es wichtig wäre, dass alle registrierten religiösen Organisationen und die Imame der Moscheen ihre Mitglieder über den von gefährlichen Sekten verursachten Schaden aufklären und forderte deren Ausrottung.  Zur Teilnahme an diesen Versammlungen seitens der Religionsgemeinschaften wurden einige Imame registrierter Moscheen, Vertreter der Bibelgesellschaft von Usbekistan, der russisch orthodoxen Kirche, registrierter protestantischer Kirchen, der Bahai und jüdische Gemeinschaften vorgeladen. Protestanten brachten ihre Besorgnis über diese Versammlungen zum Ausdruck. „Es gibt keine rechtmäßigen Gründe für das Regime, Gemeinschaften zur Kollaboration gegen andere Gemeinschaften aufzufordern“ erklärte einer der Protestanten. „Wir verstehen nicht, weshalb Behördenvertreter christliche Organisationen auffordern, eine Hexenjagd gegen Zeugen Jehovas zu beginnen und wer gibt einem orthodoxen Priester das Recht, andere Religionsgemeinschaften als Sekten zu brandmarken und die Behörden aufzufordern, radikale Maßnahmen gegen sie zu ergreifen?“ Einer der Protestanten fügte hinzu: „Wir wissen, dass nach Auffassung der russisch orthodoxen Kirche alle Kirchen ausgenommen die Orthodoxen und die Katholiken Sekten sind. 

Razzien sind in der letzten Zeit seltener geworden. „Derzeit stören die Behörden unsere Gottesdienste in Privatwohnungen nicht. Sie wissen, wo wir sind und sie wissen alles über uns, aber aus irgendeinem Grund lassen sie uns in Ruhe“, erklärte ein Mitglied einer nicht registrierten protestantischen Gemeinschaft. Er erklärte, man würde keine Registrierung anstreben, da es ohnehin aussichtslos wäre, diese zu erlangen. „Wir können uns kein Gebäude für eine offizielle Adresse leisten und es ist Zeitverschwendung, die ganze Bürokratie zu durchlaufen.“ Ein Menschenrechtsaktivist, der ebenfalls aus Furcht vor Repressalien anonym bleiben möchte, vermutet, dass der derzeitige Rückgang der Razzien bei Gottesdiensten nicht registrierter Gemeinschaften darauf zurückzuführen ist, dass Usbekistan ein günstiges internationales Image anstrebt, um Kredite von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und aus Amerika zu bekommen. Der Informant befürchtet, dass die nicht registrierten Gemeinschaften wieder Razzien erleben werden, sobald die Kredite gewährt wurden.

Deutsche Fassung: Arbeitskreis Religionsfreiheit (AKREF) der ÖEA

 

Autor: Forum 18, Oslo