Zum Hauptinhalt springen

Datum: 27.06.2024

Wo ist Gott? Ich sehe ihn nicht! Wenn es ihn gäbe, warum schreitet er nicht ein? Wieso lässt Gott so großes Leid zu?

Das mögen Fragen sein, die sich die Gesellschaft angesichts der Kriege stellt, die zurzeit um uns herum toben. Gott scheint zu schweigen. Unsichtbar zu sein. Oder etwa nicht?

Yuriy Kulakevych sagt entschieden nein. Er lebt in der Ukraine, ist Pastor einer Pfingstgemeinde in Kiew und Zuständiger für Außenbeziehungen einer internationalen Pfingst-Bewegung. Ich telefoniere mit ihm, um mehr über seine Situation zu erfahren. Der Krieg hat auch ihn schwer getroffen, er fürchtet täglich um seine Frau und seine vier Kinder, während er selbst in lebensbedrohliche Gebiete reist, erzählt er. Doch er bezeugt: Seit dem Krieg ist Gott sichtbarer denn je.

Ja, die Gesellschaft leidet. „Die Menschen sind sehr müde. Ein Mensch kann nicht so lange unter so viel Stress stehen“, erklärt Yuriy. „Doch wir versuchen in Predigten, Seelsorge und anderen Interaktionen den Blick vom Warum auf das Wofür zu lenken. Was ist der zukünftige Nutzen? Was kann Gott aus dieser Situation machen?“

“Erkennt ihr denn Gottes Handeln bereits irgendwo?”, frage ich ihn. Er lacht – das stehe außer Frage. Die Kirche sei präsenter denn je. Wurde die Kirche in der Sowjetunion noch bis aufs Blut bekämpft, erleben die Christen in der Ukraine heute die größte Religionsfreiheit seit jeher, teilt Yuriy freudig mit. Die Kirchen werden zu Gemeindezentren, die den Menschen medizinische Versorgung, Evakuierung und Unterstützung bieten. Sie versuchen, den Menschen, die es am meisten brauchen, bestmöglich zu helfen und erleben, dass Gott durch sie sichtbar wird. „Wir bieten Trauma- und Seelsorgeberatung an, um den Menschen den Weg zu Hoffnung, Licht und Leben zu zeigen“, sagt Yuriy und seine Stimme durch das Handy klingt bewegt. In einigen Städten wurden die Pastoren zu gesellschaftlichen Leitern, als die Verwaltungsbeamten unter dem Druck der Besetzung und Ermordung abzogen. Die Kirche wurde plötzlich zur führenden Kraft in den lokalen Gemeinschaften, zum Zufluchtsort und Hoffnungsbringer. „Wir wurden sogar in Krankenhäuser und zum Militär gebeten“, berichtet Yuriy berührt. Der Krieg habe die Kirche aus den Kirchenmauern herausgeführt, was längst notwendig gewesen sei, meint Yuriy.

Stolz erzählt Yuriy auch, dass wenn ein Gebiet bombardiert wird, die Kirche sehr oft die erste zivilgesellschaftliche Einrichtung ist, die mit Lieferwagen, Lastwagen und Bussen auftaucht, um zu unterstützen und zu versorgen. Immer wieder sei es inzwischen passiert, dass die betroffenen Bewohner innerhalb weniger Wochen sagen: Wir sind dankbar für die humanitäre Hilfe, aber wir brauchen auch eine Kirche wie die, zu der ihr gehört. „Das ist eine großartige Zeit für die Gründung von Kirchen!“, freut sich Yuriy zu berichten.

Und selbst auf dem Schlachtfeld ist Gott präsent, versichert mir Yuriy. „Ich habe von vielen Soldaten gehört, die sagen, es gibt zu viele Situationen auf dem Schlachtfeld, in denen sie es sich nicht anders erklären können, warum sie gesiegt haben, als nur durch das direkte Eingreifen Gottes. Und sie bitten uns als Kirche, weiter zu beten.“

Ob denn niemand angesichts des Leides an Gott zu zweifeln beginne, wundere ich mich. Yuriys Antwort ist klar: „Ein Sprichwort sagt: Es gibt keine Atheisten in Schützengräben. Genau das hören wir auch vom ukrainischen Militär: Gott ist der Einzige, dem wir noch vertrauen können.“ Ja, die Kirche in der Ukraine ist auch mit Herausforderungen konfrontiert. Doch für Yuriy steht fest: „Unsere Hoffnung liegt nicht in den Umständen, sondern in unserem Gott, der immer treu bleibt.“ Yuriys Lächeln ist förmlich durch das Handy zu hören. „Wir werden weiter beten, dienen und glauben, denn wir wissen, dass Gott inmitten des Krieges wirkt und dass sein Licht immer leuchtet, selbst in den dunkelsten Nächten. Schließlich gibt es nichts, dessen man sich sicher sein kann, außer IHM.“

Text: Helena Berger

 

Du willst mehr über Yuriy und die Situation der Kirche in der Ukraine erfahren? Abonniere dafür gerne unseren Newsletter auf www.evangelischeallianz.at/newsletter/ Yuriy wird in den nächsten Monaten darin regelmäßig zu Wort kommen.