Datum: 04.03.2021
"Morgenstund‘ hat Gold im Mund"
Da ich schon immer zu den Morgenmuffeln gehörte, hat mich dieser Satz eher geärgert, denn diese Stunde barg jede Menge Stress und Reizpotenzial für mich zwischen den Zeigern. Unsere vier Kinder sollten rechtzeitig jeden Morgen Bus und Bahn erreichen, und bis endlich der Zeitpunkt für meinen ersehnten Kaffee kam, war der Morgen meist gar nicht mehr golden.
Doch eines Tages lag da so ein kleiner, etwas zerknautschter Notizzettel in der Küche, unter mein Kaffeehäferl geschoben: "Liebe Mutti! Der Kaffee ist schon fertig! Ich wünsch dir einen schönen Tag!" In bemühter Volkschulschrift geschrieben. Einfach so. Ohne Muttertags-Pflichtprogramm oder andere Hintergedanken. Ich muss zugeben, dass ich diesen Morgen dann ziemlich gut gelaunt war. Anstatt Gold im Mund, Kaffee mit Herzwärme. Was so eine Botschaft bewirken kann!
Nur 7 x 7 cm
Die Freude an kleinen Kurzbotschaften ist irgendwie in unser Familienprogramm gesickert. Nicht regelmäßig, aber von Zeit zu Zeit. Da gab es kleine Aufmunterungen oder hin und wieder ein Dankeschön. Sogar Entschuldigungen kamen vor. Die kleine Form von Notizzetteln lässt keine großen Geschichten zu, sie reduziert automatisch den Textschreiber auf das Wesentliche. Und was kann schon wesentlich an einem durchschnittlichen Tag sein? Mein Partner hat an mich gedacht. Die Tochter hat sich bedankt. Oder dem Sohn ist aufgefallen, dass...
Was hat so ein kleiner Zettel an sich, dass er für Stunden Freude speichert oder einen sogar Jahre später zum Schmunzeln bringen kann? Verflüchtigt sich ein gesprochenes Wort leichter als eine visuelle Botschaft? Oder liegt es am Wiederholungseffekt, denn einen Text kann ich immer wieder lesen. Hingegen kann ich das gesprochene Wort nicht zurückholen, und das Gehirn vergisst auch ganz gerne.
Ich muss gestehen, dass ich eine Schwäche für diese Kurzbotschaften habe. In meiner Küche hängen einige, die mich schon lange begleiten und denen es immer wieder gelingt, auch einen grauen Tag aufzuhellen. Da gibt es zum Beispiel jenen meiner Mutter, auf dem vermerkt ist: "Schön, dass es dich gibt. Du bringst Farbe in mein Leben!" Zehn Jahre nach ihrem Tod zehre ich immer noch davon.
Als ich mit meinen Geschwistern für ihr Begräbnis nach einer bestimmten Mappe mit Adressen suchte, begegnete uns auch hier eine ihrer Notizen, diesmal im A5 Format. Unsere Mutter bedankte sich bei uns allen und versicherte uns, dass sie darauf vertraue, dass wir die Aufgabe, das Erbe ohne Streit und in gutem Einvernehmen aufzuteilen, gelingen würde. Dieses kleine Stück Papier hat uns nicht nur dazu befähigt, sondern uns getröstet und die Verbindung untereinander gestärkt.
Auch erinnere ich mich noch gut, als ich in meinem Büro neben dem Stapel von Post und Rechnungen plötzlich ein kleines rosa Etwas entdeckte. "Danke für deine Arbeit". Mehr braucht es nicht für gute Laune!
Es kostet fast nichts: 100 Blatt post its für weniger als 1,50€, einen Stift und einen guten Gedanken. Die Wirkung steht in keinem Verhältnis zum Aufwand, und sie ist unbezahlbar!
Autorin: Dr.in Elisabeth Müller, seit 34 Jahren verheiratet mit Walter, 4 Kinder, 3 Enkel. Ausbildung in Kunsterziehung, Maltherapie, Geografie und Musik. Lebt in der Nähe von Kirchdorf, OÖ.
Gekürzter Artikel. Originalversion erschienen in: Ehe- und Familienbausteine Nr.111 vom September 2020, Herausgeber: Family Life Mission Österreich